Augenblick mal!
Ein magischer Augenblick. Was genau verbirgt sich dahinter? Hokuspokus? Fidibus? Wahnsinn?
Träumerei? Ist er Zufall? Oder Schicksal? Kann ich ihn einfangen? Oder gar Festhalten? Und
wie lange dauert eigentlich so ein Augenblick? Einen Wimpernschlag? Eine Sekunde? Oder zwei?
Ein magischer Augenblick beschreibt die Sekunden des besonderen Aufmerkens vor dem Zurücksinken
in die Unachtsamkeit. Einen Atemzug, der über die Zeit erhaben ist. Vergangenes
und Zukünftiges verlieren sich im Jetzt. Ein „magischer Augenblick“ lässt sich nicht bitten, er
platzt herein. Er überfällt. Überrumpelt. Überrascht. Er kennt kein Gestern und kein Morgen.
Er ist plötzlich einfach da und schon im gleichen Moment wieder über alle Berge...
Jenes Aufblitzen des Besonderen und das damit verbundene Innehalten waren der Ausgangspunkt
dieser Kollektion. Hier trifft das Vorhersehbare auf das Unerwartete. Das Klassische auf
das Experimentelle. Das Sichtbare auf das Unsichtbare. Innen trifft Außen und der erste Blick
erfordert einen zweiten. – Ich sehe. – Aber erst wenn ich genauer hinsehe, erschließen sich die
Feinheiten und die Liebe zum Detail.
Abstrahierte Hahnentrittmuster zieren und veredeln die Materialien. Per Handsiebdruckverfahren
habe ich einen transparenten Kleber aufgetragen und die Musterstellen anschließend
mit einem schimmernden Pigment bepinselt, so dass das Muster je nach Lichteinfall und Bewegung
mehr oder weniger stark reflektiert. Die entstandenen Drucke „glänzen“ Ton in Ton – sie
sind sichtbar und doch nicht gleich zu erkennen.
Klassische Jacken- und Mantelschnitte dienten als Vorlage zum Experimentieren. Zum
Aufdrehen und Zudrehen. Zum Legen und Binden. So mancher Verlauf überrascht! Kaschmir-,
Woll- und Seidengemische treffen auf verdeckte gepaspelte Knopfleisten, hinter denen sich von
Hand gestochene Knopflöcher und farbige Seidenfutter verbergen.
Entstanden ist eine Kollektion, in der das Traditionelle mit dem Raffinierten Hand in Hand geht,
ohne dass sich einer von beiden in den Vordergrund drängt. Es geht nicht darum, am Puls der
Zeit zu sein, sondern darum für einen Moment aus der Zeit heraus zu treten. Die Zeit – los zu
sein. Denn was jetzt zählt, ist allein dieser Augenblick!
Fotografie Yvonne Most